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    Eine alte Tanne erzählt


    250 Jahre ist ein hohes Alter - aber für eine Tanne nichts ungewöhnliches. Eine Tanne erzählt den jüngeren Nachbarbäumchen von ihrer Jugendzeit.
    1750 hat sie sich durch die Erde gebohrt und ist inmitten vieler großer Bäume aufgewachsen. In der Nähe kamen öfter Pferdegespanne vorbei, Menschen lernte sie erst kennen als sie schon 30 Jahre alt war. Ihre Eltern hatten ihr erzählt, daß ein großer Krieg vor 100 Jahren vielen Menschen den Tod gebracht hatte, auch das Dorf hinter dem Hügel war geplündert und abgebrannt worden. Seither kamen nur noch wenig Menschen in den Wald. Die Tanne wuchs gesund und gerade auf und mit 70 Jahren war sie schon ein schöner Baum. Auf der Landstraße waren jetzt Flüchtlingstrecks mit Planwagen unterwegs, in Europa war wieder ein großer Krieg und einmal lagerten Soldaten in ihrer Nähe - der Wind (er kannte sich in der Welt aus) erzählte ihr, daß diese merkwürdig sprechenden Menschen Franzosen im Gefolge Napoleons waren
    Sie fällten einige kleine Bäume für ihr Lager und sammelten Brennholz im Wald. Danach zogen sie weiter.
    Die Tanne war nun 150 Jahre alt und hatte fast das Dach des Waldes erreicht als sie in der Ferne, neben der Landstraße viele Menschen arbeiten sah. Sie beobachtete diese Menschen einige Jahre und dann sah sie entlang der Strecke ein merkwürdiges Gerät, die Menschen nannten es Zug, fahren. Es pfiff und stank, aber die Tanne fand es ganz lustig und es störte sie nicht weiter. Einige Jahre später bauten die Menschen an der alten Landstraße und dann fuhren Autos ohne Pferde mit Gestank und Geknatter entlang. Die Tanne überlegte wo die Menschen wohl alle herkämen - hier half ihr wieder der Wind und sagte, daß die Menschen in der Nähe der Stelle wo früher das Dorf hinter dem Hügel war ein neues, viel größeres Dorf gebaut hätten.
    Eines Tages, ein paar Jahre später ist unsere Tanne sehr erschrocken - ein knatterndes Ungetüm flog über den Wald - sie erfuhr, daß die Menschen es Flugzeug nannten. Ab und zu, wenn der Wind ungünstig blies kam jetzt Dreck und Gestank vom Hügel herab. Die Menschen hatten Fabriken mit großen Abgasrohren gebaut und leiteten ihren Qualm in den Wald ab. Der Tanne gefiel dies gar nicht, ihre Nadeln verloren an Glanz und mit ihrer Schönheit ging es bergab. Eines Tages waren viele Menschen auf der Straße unterwegs, - sie erfuhr, daß dies Soldaten waren - die Menschen hatten wieder Krieg. Die Tanne störte dies nicht weiter - sie war nur sehr verwundert.
    Als die Tanne ihren 180sten Geburtstag feierte war wieder Friede eingekehrt, die nächsten Jahre verbrachten die Menschen damit, die Straße und Eisenbahn auszubauen und wenn sich unsere Tanne sehr streckte, konnte sie die Dächer der Häuser hinter dem Hügel sehen - die Stadt wurde immer größer. Auch der Qualm aus den Schornsteinen kam jetzt viel häufiger über den Wald. Die Tanne war jetzt ganz oben im Wald angelangt, ein schöner, großer, stattlicher Baum. Immer häufiger kamen die Menschen in den Wald und sammelten Pilze und Beeren, Brennholz, gingen spazieren und nahmen auch immer wieder Bäume mit. Einmal setzte sich ein  kleines Mädchen unter die Tanne und schlief ein. Die Tanne wiegte ganz leise hin und her. Dann kam die Mutter, freute sich da die Tanne auf ihre Tochter aufgepaßt hatte und nahm das Mädchen mit nach Hause. Nahe der Tanne bauten sie einen neuen Weg durch den Wald, hier konnte sich die Tanne nun die Autos genauer ansehen.
    Plötzlich änderte sich alles - die Menschen hatten wieder Krieg. Diesmal lag der Wald aber nicht abseits - die Menschen warfen Bomben aus den Flugzeugen auf die Stadt - ab und zu traf eine Bombe auch den Wald. Die Bäume hatten große Angst; konnten sie sich doch vor diesem Feind nicht schützen. Endlich war der Krieg vorbei und die Tanne freute sich auf einen ruhigen Lebensabend. Sie war immerhin schon 210 Jahre alt. Sie beobachtete, wie die Menschen die Straßen neu bauten und bemerkte, daß die Häuser der Stadt nun schon gut zu sehen waren. Sie kamen den Hügel sogar herunter. Die Bäume die im Weg waren, wurden gefällt. Der Qualm wurde auch wieder dichter und manchmal war er so dicht, daß die Tanne die Straße nicht mehr sah. Ganz in ihrer Nähe hatten die Menschen die Straße verbreitert und einen Parkplatz gebaut. Hier fuhren sie nun aus ihrer dreckigen Stadt heraus und erholten sich bei einem Spaziergang um die Tanne. Diese dachte daran wie sauber und ruhig es früher war und wunderte sich.
    Die Häuser am  Hügel kamen immer näher und irgendwie hatte die Tanne das Gefühl, daß ihre Wurzeln immer trockner wurden. Der Wind erklärte ihr, daß dies wahrscheinlich mit der Stadt und dem Wasser, daß die Menschen dort brauchen zusammenhängt. Außerdem hätten sie den Bach, der früher über die Stelle führte wo heute die Stadt ist, zugeschüttet.
    Die Tanne fühlte sich nicht wohl - trockene Füße, verklebte Nadeln, stinkige Luft - wie gerne wäre sie noch lange hier gestanden, wie ihre Eltern. Sie hatte Angst (der Wind sagte ihr, die Menschen nennen das Streß) und wurde krank. Aber sie wollte es den Menschen zeigen und ihren 260sten Geburtstag auch noch feiern!

    - vielleicht -

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